#fragdenyogi: Gabriela Bozic über die Sprache, ihren Unterrichtstil und Yoga im Alltag

Sprache und Yoga sind eng miteinander verwoben, das wissen Yogalehrer: Denn über die Stimme und die verbalen Anweisungen leiten sie ihre Schüler dazu an, Haltungen zu erspüren und dadurch sich selbst besser kennen zu lernen. Mit Gabriela Bozic, Jivamukti-Yogalehrerin und Sprachwissenschaftlerin, habe ich mich darüber unterhalten: Wie fühlt sich Yoga in den verschiedenen Sprachen an, die sie spricht? Gabriela ist im ehemaligen Jugoslawien aufgewachsen, spricht fließend Englisch und Deutsch und kennt sich bestens mit Sanskrit aus. Sie ist Mitgründerin der Jivamukti-Yoga-Studios in München und gibt Yogaretreats auf der ganzen Welt. Mit ihrer Familie lebt Gabriela in München. Mehr über sie unter www.gabrielabozic.com/

Textyogi: Gabriela, du bezeichnest dich selbst als Kriegsflüchtling – wie hat dich die Erfahrung, deine Heimat verlassen zu müssen, geprägt?

Gabriela Bozic: Letztendlich hat diese Erfahrung mich auf meinem spirituellen Weg bestärkt: Die Heimat zu verlieren, stellt alles neu in Frage: Wer bin ich, woher komme ich, welchen Halt habe ich, was mache ich in Zeiten unvorhersehbarer Umstände, was kann ich tun, wenn ich keinen Einfluss nehmen kann, ausgeliefert bin. Da mich die indische Mythologie schon immer interessiert hat, bin ich in diese Richtung gegangen, um nach etwas Höherem, Sinnhaftem zu suchen und um Antworten zu erhalten, warum die Dinge passieren, die passieren. Diese Erfahrung und die damit verbundenen Fragen fließen auch in meinen Unterricht ein.

Textyogi: Wie bist du zum Yoga gekommen?

Gabriela Bozic: Das war während meines Studiums (Anglistik, Amerikanistik, Psychologie). Ich hatte Prüfungen, habe mich gestresst gefühlt und bin ins Fitnessstudio gegangen. Dort wurde Yoga angeboten. Und da ich schon als kleines Mädchen eine indische Märchenprinzessin sein wollte, und diese bestimmt auch Yoga übt (lacht), bin ich hingegangen. Dass Yoga mich nicht nur mental gestärkt hat, sondern auch noch eine Art Workout war, fand ich gut, denn Bewegung habe ich schon immer gemocht und früher auch viel getanzt. Zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben war der physische Aspekt des Yoga ziemlich wichtig.

Textyogi: Welche Bedeutung hat für dich deine eigene Übungspraxis?

Gabriela Bozic: Sie ist mein Ein und Alles, der Sinn von allem. Ohne eigene Praxis kann man nicht unterrichten. Außerdem gibt das Üben mir Halt und Erdung in meinem Dasein. Ich bin ja viel unterwegs. Durch meine Praxis finde ich überall ein Zuhause, egal, ob ich dabei einfach nur atme, meditiere oder mich meditativ bewege.

„Ohne meine Yogapraxis wüsste ich nicht, was aus mir geworden wäre.“

Ich frage mich wirklich, wie andere ohne spirituelle Praxis ihr Leben meistern, ohne diesen Halt zu haben. Für mich ist das eine fast schmerzhafte Vorstellung. Früher hat das Praktizieren von Asanas für mich eine größere Rolle gespielt. Aber mit der Zeit und je länger man übt, verlagert sich der Schwerpunkt. Asana ist immer noch ein Teil meiner Praxis, aber nicht der Bedeutendste. Heute praktiziere ich ganz unterschiedlich, je nach dem auch mal „nur“ Meditation, Atmen oder kleine Rituale, Mantra Japa oder so. Nach über 20 Jahren Übungspraxis versuche ich, alles miteinander zu verbinden. Mein Körper weiß mittlerweile, was er zu tun hat und ich finde eine andere Tiefe in der Praxis. Für mich hat auch das Studieren der alten Schriften eine große Bedeutung und ich sehe das durchaus als eine Form von Praxis. Zum Beispiel helfen mir Verse aus der Bhagavad Gita dabei, hinter den Vorhang zu schauen, als Mensch.

Textyogi: Einmal Jivamukti, immer Jivamukti – richtig oder falsch?

Gabriela Bozic: Nicht ganz, aber mein Zuhause. Meine prägenden Lehrer waren die Jivamukti-Gründer Sharon und David (jivamuktiyoga.com/about-sharon-david). Aber man entwickelt unweigerlich seinen eigenen Stil, ganz einfach durch die eigene Lebenserfahrung. Jivamukti Yoga ist eine super schöne Methode, ist aber auch nicht für jeden oder jede Situation im Leben geeignet. Für mich war das passend, als ich mit dem Yoga anfing, aber ich unterrichte mittlerweile seit 18 Jahren und lasse dabei auch andere Elemente einfließen, entwickle meine eigenen Workshop-Formate, kombiniere meinen Unterricht mit Lesungen aus der modernen Literatur, Poesie, Upanishaden oder den Yogasutren.

Die Anwendbarkeit der spirituellen Prinzipien im Alltag:
Das ist mein Ding.

In meinem Unterricht lege ich den Fokus auf die Anwendbarkeit der spirituellen Prinzipien im Alltag – das ist mein Ding. Auch die Arbeit mit den Frauen liegt mir besonders am Herzen. Hierfür habe ich eine besonderen Workshop-Serie entwickelt: Die Göttin in dir. Weitere wichtige Lehrer auf meinem Weg waren R. Sriram und natürlich Gurmukh und die Ursprache Sanskrit ist für mich eine große Faszination.

Textyogi: In welcher Sprache – neben deiner Muttersprache – fühlst du dich am ehesten zuhause?

Gabriela Bozic: Deutsch und Englisch – meine Muttersprache ist eigentlich Serbo-Kroatisch, aber in dieser Sprache kann ich gar nicht so gut unterrichten. Sprechen ja, aber den Atem im Vinyasa oder der Asana-Praxis anzusagen, fällt mir schwer. Manchmal unterrichte ich auch auf Germisch (lacht), da mir manche Dinge auf Englisch leichter fallen, andere aber auf Deutsch. Meine Schüler kennen das schon.

Textyogi: Gabriela, du hast 2006 zusammen mit Patrick Broome das Buch „Yoga fürs Leben“ herausgegeben. Hast du Pläne für ein weiteres Buch?

Gabriela Bozic: Ich möchte unbedingt noch ein oder gar mehrere Bücher schreiben, aber bis jetzt hatte ich noch keine Zeit dazu. Über das genaue Thema bin ich mir noch nicht ganz im Klaren, habe 2-3 Favoriten. Allerdings schreibe ich ja monatlich ein Blog über Dinge, die mir am Herzen liegen. Daraus ließe sich sicherlich ein schönes Buch machen, mal sehen. Mein großes Anliegen ist es, zu vermitteln, wie man die Weisheit des Yoga im Alltag anwenden kann und eben nicht auf die Körperübungen beschränkt bleibt.

Auf der Matte lernen wir für unser Leben. Wenden wir die universellen Werte in unserem Alltag an, können wir insgesamt glücklicher werden und lernen, liebevoller miteinander umzugehen. Es geht hauptsächlich um die Liebe und das Mitgefühl, vor allem in der heutigen Zeit der globalen Krisen und des Klimawandels. Das Leben wird immer schneller und komplexer, da darf die Seele nicht auf der Strecke bleiben. Und Yoga ist Nahrung für die Seele.

 

„Yoga ist Nahrung für die Seele.“ Gabriela Bozic

 

Gabriela Bozic
Yogalehrerin Gabriela Bozic, Foto von yogainphotos.com

Textyogi: Was fasziniert dich am Sanskrit und wie bringst du diese uralte Sprache in deinen Unterricht ein?

Gabriela Bozic: Sanskrit ist ein Teil von Yoga, denn alle yogischen Schriften wurden auf Sanskrit verfasst. Im Jivamukti Yoga werden die Yogasutren und andere Texte rezitiert, dies ist Teil der Yogaklasse und oft auch im Fokus des Monats enthalten. Meine Liebe zu Sanskrit habe ich im Ananda Ashram in NY entdeckt. Natürlich kann ich in einer ganz regulären Klasse nur bedingt Sanskrit einfließen lassen, versuche es aber immer: einerseits als Sprache, wenn wir vedische Texte rezitieren. Andererseits indirekt als Klang, wenn wir singen, denn Sanskrit ist die Sprache der Götter. Ihre Schwingungen sind heilend, beruhigend, in Indien passiert Yoga v. a. in Form von Klang. Bei den Lehrerausbildungen unterrichte ich außerdem die Grundlagen von Sanskrit als Sprache. Einen schönen Beitrag dazu findet man auch in diesem Interview mit mir: www.fuckluckygohappy.de/ich-versteh-nur-sanskrit

Textyogi: Wie hat dich die Erfahrung, Mutter zu sein, verändert?

Gabriela Bozic: Absolut im positiven Sinn! Kinder aufzuziehen, und das wird jede Mutter bestätigen, ist die reinste Form von Bhakti Yoga: Wir haben keine Wahl, sind von Natur aus als Mütter mit diesen Wesen verbunden, und wir tun, was zu tun ist, ohne dafür etwas zu erwarten. Jeden Tag aufs Neue, auch in der Nacht oder wenn es uns selbst nicht gut geht.

Durch diese Form der selbstlosen Hingabe versteht man auf einmal, was alles bedeutet, man wird gelassener, auch in Bezug auf das, was Yoga zu sein hat. Man begreift Yoga auf eine entspanntere Art und Weise, das obsessive Üben relativiert sich von ganz alleine, wenn man kleine Kinder hat. Ich habe auch gemerkt, dass ich weniger brauche, um zur Ruhe zu kommen, ich kann schneller in die Meditation gehen, loslassen, einfach weil ich weniger Zeit zur Verfügung habe.

„Das Meditieren fällt mir leichter, seit ich Mutter bin. Ich setze mich hin, mache die Augen zu und Ruhe herrscht.”

Yoga hat mir natürlich auch in der Schwangerschaft sehr geholfen, während der Geburt und in der Zeit danach. Ich bin sehr schnell wieder fit geworden, weil mein Körper es gewohnt ist, flexibel zu sein und bewegt zu werden.

Textyogi: Wo bzw. wie siehst du dich in 20 Jahren?

Gabriela Bozic: In 20 Jahren mache ich ziemlich sicher etwas Ähnliches wie jetzt. Und ich habe dieses Buch geschrieben, von dem wir zuvor gesprochen haben. Außerdem plane ich Online Sessions, eine Art Wisdom Talks mit Schülern und Freunden. Ich war früher viel unterwegs, habe in England studiert, in Amerika gelebt, bin oft gereist. Heute will ich nicht mehr so viel reisen, wegen der Familie und auch aus ökologischen Gründen. Und ich finde, man kann online viele Menschen erreichen, von daher möchte ich das ausnutzen. Ich werde dann in meinem kleinen Studio in München sitzen und mich mit den Leuten vor Ort und weltweit austauschen. Es wird also keine riesige Veränderung geben, ich werde weiterhin das tun, was ich liebe – über Yoga und Liebe sprechen.

Vielen Dank für das Interview!

Beitragsfoto: Gabriela Bozic mit ihrem Sohn: Christian Krinninger Photography

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