#fragdenyogi: Yogalehrerin Flora Fink über Freiheit im Yoga und in der Sprache

Yogalehrerin Flora Fink unterrichtet Vinyasa- und Yin-Yoga und ist außerdem Übersetzerin. Flora ist wie eine Fee und fliegt scheinbar mit Leichtigkeit durch das Leben. Hinterlässt aber schwer Eindruck! Im Interview spricht sie über ihre Verbindung zur Nordischen Philologie, ihr Verständnis von Yoga – und über Freiheit. Flora unterrichtet in München in den Studios von Patrick Broome (www.patrickbroome.de) sowie privat, und gibt Retreats im In- und Ausland (mehr Infos auf ihrer Website sukhadupa.net).

 Textyogi: Flora, bitte erzähle uns zunächst deinen Werdegang als Übersetzerin – ich weiß nur, dass du Nordische Philologie studiert und Romane von Helle Helle übersetzt hast.

Flora Fink: Also eigentlich ist die nordische Richtung eher Zufall. Als Kind habe ich viel und gerne gelesen und später beschlossen, irgendetwas mit Sprachen zu machen. Studiert habe ich zunächst im Schwerpunkt englische und deutsche Literatur, wollte aber auch noch völlig neue Sprachen lernen. Und bin so bei der Skandinavistik gelandet. In diesem Sprachraum habe ich mich sofort heimisch gefühlt, zu den Menschen im Norden und dem Klima dort zieht es mich einfach hin.

Während des Studiums habe ich bereits als freie Übersetzerin gearbeitet, u.a. für einen Zeitschriftenverlag mit Wohnthemen. Helle Helle habe ich in Dänemark bei einem Sommerkurs kennengelernt – sie war von der ersten gelesenen Zeile an meine Lieblingsautorin und ist es auch heute noch. So kam es, dass ich für eines ihrer Bücher ein Übersetzungsangebot an verschiedene Verlage geschickt habe, und irgendwann klappte es dann mit dem Dörlemann Verlag – und die Dinge nahmen ihren Lauf.

Textyogi: Du bist Certified Jivamukti Yoga Teacher, unterrichtest außerdem Yin Yoga und Aerial Yoga. Wie bist du zum Yoga gekommen?

Flora Fink: Ich habe mich schon immer viel bewegt – vom Eiskunstlauf über Aerobic und Tanzen und Laufen bin ich irgendwann beim Yoga gelandet und übe mittlerweile seit 18 Jahren. Über weite Strecken habe ich hauptsächlich einfach für mich praktiziert, zuhause, auch mit Hilfe von Büchern. Diese eigene Übungs- und Experimentierfreude prägen heute noch meine Praxis. Ich verlasse mich gern auf meine Launen und meinen inneren Lehrer, bin aber natürlich dankbar für die äußeren Lehrer und Lehren und Einflüsse, ganz allein geht es dann doch nicht. Jivamukti war die erste Schule, wo ich mich richtig wohlgefühlt habe, am rechten Platz, angekommen. Davor und dazwischen gab und gibt es auch noch viel Kundalini Yoga, weil ich mich bei dieser Art, Yoga zu üben, am schnellsten intensiv spüre. Ähnlich wie im Yin, und dann doch ganz anders.

Meine Jivamukti-Ausbildung habe ich nach meiner Zeit an der Uni begonnen, parallel fing ich an, im Yam Deli vegan zu backen und zu kochen. Das hat alles ineinander gegriffen, im Jivamukti Yoga hat der Veganismus ja einen großen Stellenwert. Ich möchte so leben und Gewaltlosigkeit auch vorleben, aber keinen Veganismus predigen – am Ende ist das eine freie, sehr individuelle Entscheidung.

Textyogi: Welche Bedeutung haben für dich deine eigene Praxis und dein Unterricht? Wie hängt beides zusammen?

Flora Fink: Inzwischen übe ich viel langsamer, leiser, und schon immer ohne Musik, ohne ein festes Prinzip, das ich einhalten muss. Ich hatte das große Glück, auf Patrick Broome zu treffen: Er hat mich auf die Weichheit gebracht, die mir lange gefehlt hat, zumindest im Umgang mit mir selbst. Körperlich ist mir im Yoga immer alles sehr leichtgefallen und geistig war ich reichlich rege bzw. unruhig – entsprechend habe ich immer größere Herausforderungen gesucht. Und diesen weichen Umgang mit uns und dem Körper versuche ich auch beim Unterrichten zu vermitteln oder zu ermöglichen, und dafür braucht es eine gewisse Langsamkeit und Stille.

Die Sanftheit, um tiefer bei sich selbst anzukommen

Patricks Stunden waren mir am Anfang eigentlich viel zu langsam. Aber mit der Zeit habe ich erkannt, dass ich diese Sanftheit brauche, um tiefer bei mir anzukommen. Die Kraft und Körperspannung und die Flexibilität waren bei mir ja schon da, aber die Ruhe und Erdung sind das, was ich immer wieder suchen muss.

Ich bin definitiv für mehr Anarchie im Yogaraum!

Ich bin Patrick wahnsinnig dankbar dafür, dass er mir zu dieser Erkenntnis verholfen hat. Ohne ihn hätte ich auch nie unterrichtet. Die Ausbildung wollte ich nur für mich machen, und zum Unterrichten hat er mich dann ermutigt und ermuntert. Es ging dann auch alles ganz schnell und fühlte sich ziemlich richtig an – und intensiv! Als er sein neues Studio am Amiraplatz eröffnet hat, bin ich von Null auf Hundert eingestiegen, hatte auch an anderen Orten Stunden und auf einmal keinen Tag mehr frei, musste die Arbeit im Café aufgeben und war so mal wieder am Rand der Überforderung. Aber so bin ich: Ich mache gern Dinge, die eigentlich zu viel oder zu groß für mich sind. Inzwischen habe ich eine Balance gefunden – die ich dann auch immer wieder verliere –, einen guten Rhythmus, und ich lasse mich in allem von meiner Intuition leiten und unterrichte auch so und sehr frei – sodass meine Schüler die Möglichkeit haben, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und nach ihrem eigenen Gespür zu gehen. Ich bin definitiv für mehr Anarchie im Yogaraum – denn Yoga ist dazu da, sich selbst zu spüren und gut mit sich umzugehen.

Das lernen wir auch vor allem im noch stilleren Yin Yoga, damit hat sich im Prinzip der Prozess fortgesetzt, der für mich so heilsam war und ist – für uns alle wahrscheinlich.. Nach dem Motto „weniger, langsamer, mach nicht immer was, gib mal Ruhe“. Yin, also noch mehr Weichheit, noch mehr ehrliche Innenschau, ist einfach dringend nötig, besonders in dieser schnellen lauten Welt. Konsequenterweise habe ich auch da Ausbildungen absolviertund unterstütze mittlerweile Biff Mithoefer (www.biffmithoeferyoga.com) in seinen Trainings.

Textyogi: Du arbeitest wie ich mit Sprache. Welche Verbindung siehst du zum Yoga? Anders gefragt: Wenn Sprache einen körperlichen Ausdruck sucht, landen wir dann bei Asana?

Flora Fink: Gar nicht so einfach … Wenn Asanas sicht- und spürbare Körperhaltungen oder -formen sind, sind Worte les- oder hörbare Ausdrucksformen für innere Haltungen und Bewegungen, Gedanken, Gefühle, natürlich auch Bezüge zu Äußerlichem. Sowohl auf körperlicher als auch auf sprachlicher Ebene bringt man also etwas in eine Form, fixiert es für einen gewissen Zeitraum, mit einer gewissen Intention. Aber Sprache fließt natürlich auch, wie ein Bewegungsablauf, wir reihen Wörter wie Asanas aneinander, und auch die Bedeutung eines Wortes ist ja nie letztgültig und eindeutig fixiert, nach der Äußerung lebt das Wort weiter, verändert sich in der Aktualisierung des Hörens oder Lesens, ist immer wieder neu und anders. Geschriebene Wörter können mir da manchmal fast Angst machen: Wie lange empfinde ich sie als gültig? Was macht die Welt wohl damit? Was, wenn ich meine Meinung irgendwann ändere, oder wenn mich jemand so ganz anders liest als ich beabsichtigt habe? Da braucht es wohl ein wenig Vertrauen …

Hm, und kann ich Asana in Worte fassen? Sicher, ich gebe möglichst klare Anweisungen, um in eine Haltung hineinzuleiten und dann auch wieder hinaus. Aber was empfinde ich in dieser Asana, was kann sie mir vermitteln, was macht ihre Stimmung und Schwingung mit mir und wie vermittele ich dieses Wortlose, wie kann ich jemanden so weich anleiten, dass die jeweils eigenen Empfindungen genügend Raum haben, laut genug werden können? Ich kann meine Stimme modulieren, versuchen, all das andere mitschwingen zu lassen, alles, was ich nicht formulieren kann. Und manchmal ist Stille einfach am besten.

 Textyogi: Wie entspannst du dich – neben dem Yoga? Soweit ich weiß verbringst du privat auch viel Zeit in der Küche.

Flora Fink: Ich koche und backen und esse tatsächlich viel und erde mich über die Nahrung. So fühlt es sich für mich an, und Ayurveda bestätigt mich darin. Mir fehlt es ein wenig an Erdung, Schwere. Und da tut mir Kochen gut, Gemüse in die Hand zu nehmen, am besten natürlich erdiges Wurzelgemüse … – und mit reichlich kreativem Chaos um mich herum. Regelmäßiges und wirklich nährendes Essen ist für mich sehr wichtig. Ich habe zum Essen, wie zu allem eigentlich, eine große Sensitivität entwickelt und brauche Routine, Selbstliebe und Selbstpflege. Aber auch der gebende und umsorgende Aspekt des Kochens macht mir große Freude, für andere zu kochen, Essen und die Freude daran zu teilen. Ansonsten bin ich inzwischen insgesamt sehr entspannt, unterrichte im richtigen Maß, zumindest meistens, und tausche mich viel mit anderen aus.

Mehr Zeit allein und mehr Yinpraxis wären manchmal aber noch besser für mich – nur finde ich das Leben da draußen und die wunderbaren Mitwesen oft einfach zu spannend.

Textyogi: Yoga ist mit viel Disziplin verbunden – tägliches Üben on und off the mat, dazu eine sattvische Ernährung, die den Geist nährt. Wie gehst du damit um? Brichst du auch mal aus?

Flora Fink: Disziplin gibt es bei mir nicht – die haben wir alle schon zur Genüge erfahren – durch unser Schulsystem, den Leistungssport, unser Bewertungssystem, den Ehrgeiz … – Yoga hat für mich mit all dem sehr wenig zu tun – wir brauchen ja vielmehr ein Gegengewicht. Ich übe selbst ganz disziplinlos und mit größter Freude täglich, und das seit Jahren, und jeden Tag kommt etwas anderes, oft Überraschendes, dabei heraus. Ich schenke mir ganz egoistisch diesen Zeit- und Freiraum, in dem ich nach Lust und Laune einfach machen und sein darf, um dann jenseits der Matte Yoga zu leben.

Auf die Matte gehen und schauen, was kommt.

Mein Tag läuft so viel besser, wenn ich mir morgens etwa 60 Minuten Zeit nehme, um für mich zu üben. Aber meine Praxis auf der Matte ist immer sehr frei, auch mal eine reine Yinpraxis, meistens entsteht ein Mix aus der Intuition heraus. Immer sehr lustbetont. Der Körper ist ja eigenwillig, hat seine eigene Intelligenz, und kriegt was er – oder sie – will, dadurch habe ich nie das Bedürfnis, auszubrechen.

Ein „ich darf nicht“ gibt es nicht.

Mit dem Essen verhält es sich ganz genauso, auch wenn Veganismus für manche vielleicht nach Verzicht aussieht. Vegane Ernährung ist für mich im Moment das, was mir gut tut. Nicht immer super gesund, ich liebe Kaffee und Kuchen, und das Koffein tut mir wahrscheinlich nicht ganz so gut, aber irgendwie bringt mir die Wirkung Freude, zumindest kurzfristig.. Ein „ich darf nicht“ gibt es bei mir nicht. Das gilt auch für Alkohol. Ich schaue und spüre einfach möglichst bewusst, wie alles so wirkt – auch das Bier. Alle Regeln brauchen Ausnahmen, und mir selbst ist vor allem die Umwelt wichtig, ich möchte möglichst wenig Schaden anrichten.. Und ich gestehe jedem zu, sich so zu ernähren, wie es sich für sie oder ihn richtig anfühlt.

Textyogi: Du bist Co-Autorin von Cathy Hummels‘ Buch „Stark mit Yoga“ – wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen? Welchen Anteil hast du daran?

Flora Fink: Cathy habe ich über Patrick kennengelernt, wir haben erst mal eine Privatstunde zusammen probiert – und es hat gleich ziemlich perfekt gepasst. Mit der Zeit haben wir immer häufiger und intensiver geübt und irgendwann, wir kannten uns noch gar nicht so lange, hat sie von einem Buchprojekt erzählt. Ein wenig hat es noch gedauert, aber schließlich haben wir es dann tatsächlich gemeinsam angepackt und verwirklicht. Ich stehe hauptsächlich hinter den Inhalten zu Yogatradition und -lehre, Cathy hat ihre eigenen Erfahrungen und ihre Begeisterung beigesteuert. Wir sind als Frauen und Freundinnen eine großartige Kombi, auch wenn wir von außen betrachtet nicht viel gemeinsam haben mögen, wir sind uns in manchem dann doch recht ähnlich und ergänzen uns vor allem bestens. Und wir hoffen, dass wir mit dem Buch viele Noch-nicht-Yogis für unsere Sache begeistern können – über Cathys großes Netzwerk erreichen wir ja einige, die sonst vielleicht nicht unbedingt mit Yoga in Berührung kommen würden.

Textyogi: Liebe Flora, du siehst beinahe alterslos aus – feenhaft halt. Und trotzdem frage ich dich: Wo siehst du dich in 30 Jahren?

Flora Fink: Puh, ich weiß ja noch nicht einmal, wo ich nächstes Jahr stehe. Ich bin von Natur aus nicht sonderlich stetig oder vorausplanend. Ich habe keinen Masterplan und lasse mich gern treiben – aber ganz sicher weiß ich, dass ich beim Yoga bleiben möchte. Dass ich dankbar bin, noch weiter zu lernen, von meinen großartigen Lehrern, die mich fördern und mir vertrauen, von meinen Schülerinnen und Schülern, aus meiner eigenen Praxis, meinen Experimenten. Und wahrscheinlich werde ich auch weiterhin und immer mehr in der Yogalehrerausbildung tätig sein.

Zu viele Möglichkeiten, aber zufrieden und glücklich mit dem, was da ist.

Im Moment arbeite ich auch viel mit Ayurveda und kann mir vorstellen, damit in Richtung Coaching zu gehen, in Verbindung mit dem Yoga, und die Geschichten, die der Körper erzählt, deuten. Eigentlich tue ich das ja auch jetzt schon in meinem Unterricht, vor allem in den Privatstunden, aber das möchte ich gerne noch vertiefen – mehr mit den Menschen reden.

Oder ich mache doch irgendwann das Café auf, das ich schon immer haben wollte. Und das Übersetzen und Schreiben möchte ich auch nicht aufgeben. Mein Problem ist, dass es zu viele Möglichkeiten gibt (grinst). Aber ich bin zufrieden und glücklich mit dem, was da ist.

Vielen Dank für das Interview!

Foto: Grit Siwonia

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