Texterleben und der Alltag: sich hängen lassen, selber hängen gelassen werden, andere hängen lassen oder einfach gelassen werden – kennt ihr das? Ein Beispiel: Ihr zieht einen tollen Auftrag an Land, der so umfangreich ist, dass ihr die nächsten drei Monate ohne Akquise leben könntet. Tut ihr natürlich nicht, denn als professionelle Texter*innen wisst ihr ja, Akquise muss sein. Immer. Auch wenn das Auftragsbuch voll ist.
Ihr nehmt also den Job an, keine Frage. Und wie das halt so ist, gibt es zwar ein paar E-Mails oder Telefonate diesbezüglich, aber kein offizielles Schreiben, das euch diesen Auftrag bestätigt. In der Zwischenzeit kommen die regulären Anfragen, die ihr normalerweise alle annehmen würdet. Aber jetzt habt ihr ja den Superauftrag und müsst euch entsprechend Zeit freischaufeln bzw. einplanen. Infolgedessen weist ihr neue Anfragen ab, darunter auch ein anderer Superjob, der aber zeitlich auf keinen Fall parallel zu organisieren wäre. Ist halt so. Wenn es kommt, dann kommt es dicke. Die Freiberufler kennen das bestimmt alle.
Texterleben: Was, wenn plötzlich alles wieder ganz anders ist?
Und dann vergeht Zeit. Zeit, in der ihr nicht so arbeiten könnt, wie gewohnt, da ihr diese Zeit ja für den neuen Auftrag freigehalten habt. Das ist zum einen gar nicht schlecht, um die Buchhaltung nachzuholen, den Schreibtisch zu sortieren, Ablage zu machen, Ordnung zu schaffen. Manchmal ist diese Zeit auch ganz entspannt. Zumindest für eine Weile. Wenn da nur nicht das nagende Gefühl des Zweifels wäre.
Der neue Job verschiebt sich, ihr werdet vielleicht sogar hingehalten. Eventuell kommt es sogar zu ein, zwei Treffen, zu denen ihr hinfahrt. Und wieder Fahrtgeld investiert und eure kostbare Arbeitszeit. Und dann heißt es auf einmal: „Wir haben uns das überlegt und denken, es passt einfach nicht so ganz. Nicht falsch verstehen, Sie machen Ihre Sache wunderbar, aber wir sind intern noch nicht so weit“. Bäm. Oder: „Leider hat unser Ansprechpartner momentan so viel zu tun, da muss die Interviewreihe warten. Wir melden uns wieder mit einem neuen Terminvorschlag“ – und die Monate vergehen. Oder: „Wir mussten alles stoppen, wegen interner Vorgaben, tut uns leid“. Bäm. Bäm. Bäm.
Hängen gelassen werden, hängen lassen oder gelassen werden?
Ich kenne diese Situationen. Und frage mich immer wieder, wie sie zu vermeiden sind. (Fast) jede einzelne Absage ist in gewisser Weise nachvollziehbar. Nur halt für mich als Betroffene macht es das nicht besser. Ich fühle mich hängen gelassen. Punkt. Was kann ich tun, damit das in Zukunft anders läuft? Soll ich alle Aufträge, die kommen, annehmen und dann im Zweifelsfall den Kunden hängen lassen? Finde ich nicht die feine Art. Und auch nicht professionell. Denn zu einem professionellen Arbeiten gehört nun mal die Planung der Kapazitäten. Und Verlässlichkeit dem Kunden gegenüber. Aber diese Verlässlichkeit kommt leider nicht immer zurück. Und das ist meiner Erfahrung nach völlig unabhängig von der Größe des Unternehmens oder der Branche, in der es tätig ist.
Vielleicht ließe sich das mit Auftragsbestätigungen vermeiden? Aber es ist halt nicht immer ganz so einfach. Oft ist die Auftragsvergabe ein Taktieren, ein Ausloten, ein Hin- und Her, das sich in die Länge zieht. Ich könnte dem Ganzen natürlich einen Riegel vorschieben, entsprechende AGBs einführen, alles besser regulieren. Und wahrscheinlich werde ich das irgendwann auch mal machen. Denn dieses Gefühl, hängen gelassen zu werden, mag ich nicht. Aber andere hängen lassen, mag ich noch viel weniger. Also muss ich gelassen bleiben. Hilft nichts.
„Wenn eine Tür zu geht, geht eine andere auf.“ „Nichts passiert zufällig.“ Diese Sinnsprüche haben ihre Berechtigung. Im Leben geht es um Veränderung und wie wir damit umgehen. Wie wir lernen, immer besser damit umzugehen. Das habe ich verstanden, als Yogini und immer mehr auch als Texterin. Trotzdem würde mich interessieren, wie andere damit umgehen, wenn ein Auftrag wegbricht und ob sie immer einen Plan B haben. Also Texter*innen vor, aber gern auch andere Freiberufler, die diese Situation kennen – ich freue mich, über Anregungen, Austausch, Ratschläge. Und bis dahin: weitermachen, atmen, neue Ideen finden. Sich nicht hängen lassen. Dreifaches Ausrufezeichen.
Passend zum Thema: Yoga und Beruf
Foto: Ute Freundl
So lange ich in Warteposition bin, nehme ich weitere Aufträge an und versuche, innerlich die Ruhe zu bewahren. Meistens fügt sich das auf geheimnisvolle Weise ganz gut nacheinander und nur bei extremen Spitzen muss ich dann halt am Wochenende oder am Abend ran. In der Zwischenzeit habe ich auch ein ganz gutes Netzwerk mit anderen Freiberuflern, wo wir im Notfall ein bisschen hin- und herschieben können. Da muss dann allerdings die Qualität wirklich stimmen – und natürlich das Vertrauen, sonst hat man am Ende noch mehr Arbeit oder einen Kunden weniger…
Danke dir, meine Liebe!
Liebe Ute,
wer kennt diese Situation als Selbstständige nicht? – Ich habe vier Monate auf ein wirklich geiles Projekt gewartet (Social-Media-Redaktion für ein Start-Up) und jeden Tag trainiert, entspannt am Ball zu bleiben. Es nicht persönlich zu nehmen. Also quasi immer wieder den Wechsel zwischen Einatmen (will ich haben) und Ausatmen (Loslassen).
Gestern ist die offizielle Auftragsbestätigung eingetrudelt und morgen geht es tatsächlich los mit dem Projekt.
I’m happy.
Viele Grüße nach München,
Ulrike
Wie schön, ich gratuliere dir, liebe Ulrike!