Alle Wege führen nach OM
Petros Haffenrichter ist als Yogi und Musiker international bekannt. Er ist halb kretischen und halb deutschen Ursprungs und Advanced Jivamukti Yoga Lehrer. Über viele Jahre hinweg war Petros ein fester Bestandteil der Jivamukti-Studios in München. Im letzten Jahr hat er das Studio THEYOGA.LOVE gegründet, wo verschiedene Yogastile unterrichtet werden: theyoga.love. Grund genug, um mit Petros über Tradition zu reden und darüber, was Yoga und Musik für ihn bedeuten.
Textyogi: Petros, wie wichtig ist Tradition für dich?
Petros: Kommt immer ein bisschen darauf an, in welchem Kontext und in welcher Deutung. Respekt vor Ritualen, die sich über die Zeit entwickelt und erhalten haben, auf jeden Fall. Achtung der Lehrer-Schüler-Tradition zum Beispiel. Philosophisch betrachtet ist Tradition (auch etymologisch betrachtet) jedoch eher irreführend. Wir verwechseln da doch oft langsam wandelnde Prozesse mit sich nicht verändernden.
So ist der Hinweis auf Tradition oft einfach nur ein sehr zäher, konservativer Wandel. Dann doch eher Achtung vor Althergebrachtem mit einer Prise Mut zu scheinbar „Anderem“ oder Neuem. Denn letztlich gibt es nur „Wieder-Erkennen“, wie Sokrates das formuliert.
Textyogi: Wie bist du zum Yoga gekommen?
Petros: Karma. Mein Opa und mein Vater haben Yoga praktiziert. Meine erste Motivation war jedoch eigentlich, dass ich lernen wollte, meinen Atem möglichst lange anzuhalten.
Textyogi: Welche Yogastile hast du ausprobiert?
Petros: So ziemlich alles, was man ausprobieren kann. Wobei Trapezgymnastik oder Partner-Akrobatik sicher etwas mit Körpergefühl und Bewusstsein darin zu tun haben. Jedoch nicht allzu viel mit der Tiefe, die eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Begriffen Realität, Bewusstsein, Person, Seele und Gott braucht, sowie ihrer tatsächlichen Wirkung und dem Erlebnis jenseits von Vorstellung.
Vertieft habe ich sicher den Jnana, Hatha, sowie den Bhakti Yoga (wie auch immer die modernen Sport- und Wirtschaftsgemeinschaften das dann nennen wollen).
Hingabe, Musik, Stille – etwas Reibung und ein guter Fluss
Textyogi: Wie würdest du deinen Unterricht beschreiben?
Petros: Ich orientiere mich an den Prinzipien, wie sie Aurobindo für den integralen Yoga festgelegt hat. Dabei gibt es immer Hingabe, Musik, Stille, Bewegung, Ruhe, Konzentration, etwas Reibung und einen guten Fluss… Or: Completely absolutely bestest superior quality highest deluxe yoga 1008! 😉
Textyogi: Musik ist wie Yoga – Yoga ist wie Musik – für den Körper und den Geist: richtig?
Petros: Wie weit sollen wir hier ausholen? Was ist Musik für den Geist? Da verweise ich lieber auf Adorno. Ansonsten lassen wir noch das „wie“ in der Frage weg. Dann: Ja.
Textyogi: Wie bist du zur Musik gekommen?
Petros: Musik ist das Blaue des Himmels, das Dunkle der Nacht, das Unsagbare im Licht, das Bindeglied zwischen Schein und Sein. Da kommt man nicht wirklich hin, man ist es eher. Natürlich hat meine Familie sehr geholfen, dieser Einsicht Ausdruck verleihen zu können.
Musik hat eine magische Verführungskraft, die unser dividierendes Bewusstsein spielerisch auflösen kann
Textyogi: Yoga führt letztlich zur Selbst-Erkenntnis. Gilt dasselbe für die Musik? Trennst du das überhaupt – oder ist das für dich eins?
Petros: Ob Yoga zu Erkenntnis, weiter zu „s“elbst-Verständnis und dann zu „S“elbst-Erkenntnis führt, ist von verschiedenen Faktoren abhängig – am meisten vom Yogi und seiner Intention selbst. Musik, Natur, Yoga sind ein Bewusstsein – ob es für hedonistische, kommerzielle, spirituelle, universelle oder Ich-Bezogene Erfahrungen verstanden wird, ist individuell unterschiedlich.
Doch hat Musik eine magische Verführungskraft, unser kategorisch dividierendes Bewusstsein spielerisch aufzulösen und damit eine Erfahrung zu machen, die diese Kategorien überwindet – also die einfachste, natürlichste, schnellste, zweifelfreieste Yoga-Erfahrung überhaupt.
Textyogi: Wie schaffst du es, deine eigene Praxis in den Alltag zu integrieren?
Petros: Mein Alltag ist Yoga. Jeden Tag. Von morgens bis abends – da gibt es keine Trennung. Ich versuche meinen Geist mit den ersten Gedanken des Tages auszurichten, habe immer ein Mantra bei mir, übe mich in Dankbarkeit und Zufriedenheit, widme mich meinem Atem. Praktisch plane ich immer so, dass ich am Tag vorher weiß, wo und wann ich Asana, Hingabe oder Kontemplation übe, manchmal eben in der Flughafenkapelle oder beim Tanzen.
Alle Wege führen nach OM
Textyogi: Was heißt für dich Entwicklung in Bezug auf die Yogatradition?
Petros: Der Traditionsbegriff ist, wie eingehend schon erwähnt, oft irreführend. Da wir selber meist nicht viel mehr als zwei bis drei Generationen bezeugen können, ist alles andere Fiktion oder Glaube, sowohl Zukunft als auch Vergangenheit sind Interpretationsfelder. Doch wenn es eigentlich um Erkenntnis geht, darf kein Weg von Außen als richtig oder falsch bewertet werden – die Reise muss ja nun schließlich in ein homogenes Bewusstsein führen – das ist ja der Yoga (Einheit).
Alle Wege führen nach OM, wie mein Lehrer zu sagen pflegt. Als Blatt erkennen, dass die Erde dich nährt und die Sonne dich beleuchtet, so wie alle Blätter – lässt Betonungen oder den Verweis auf „richtige“ oder „falsche“ Äste unsinnig erscheinen. Doch Begrifflich verstehe ich Entwicklung (im Gegensatz zum einwickeln) so: Mumukshutva und Svadhyaya. Ein brennendes, inneres Interesse an Emanzipation und Erkenntnis, Mut zur Freiheit sowie die Verantwortung selbständig diesen Weg konsequent zu gehen.
Der Yogi muss sich seiner ganz persönlichen Veranlagungen, Talente, Begabungen, Tendenzen (egal ob der Sache dienlich oder nicht) bewusst werden und verstehen, dass nur er/sie selber die Knoten des Bewusstseins lösen kann – um letztlich nicht dem Individuum sondern der Integrität des Individuums innerhalb des „Ganzen“ zu dienen.
Textyogi: Vielen Dank für das Interview!
Fotos: Petros Haffenrichter
Mehr über Yogatradition findet ihr hier: Manfred Gauper und Ashtanga Yoga oder hier: Michael Forbes und Iyengar Yoga
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