Stop thinking

Stop thinking, start breathing – and writing: Es ist ein bisschen ruhig geworden auf meinem Blog, aber das liegt einfach daran, dass ich nichts zu schreiben hatte, was nicht schon gesagt wurde. Überhaupt denke ich mir oft, dass so viel Blabla geschrieben wird, das keinen Mehrwert bringt.

Das hat sich jetzt geändert: Heute möchte ich über eine wichtige Erfahrung sprechen, die ich machen durfte und die mir viel Mut gemacht hat. Ich bin ausgewählt worden, Stammzellen zu spenden und mit etwas Glück ein Leben zu retten. Boa, Wahnsinn – ich bin als einzig passende Spenderin für eine junge, leukämiekranke Person gefunden worden – quasi die Nadel im Heuhaufen.

Flash pur und Schock zugleich

Als ich den Brief der Stiftung Aktion Knochenmarkspende (Stiftung AKB) in den Händen hielt, zitterten mir erst einmal die Knie: Eine Stammzellspende ist ein Prozess, der den eigenen Körper auch in Mitleidenschaft zieht, das muss man so ehrlich sagen. Vier Tage vor der Spende sollte ich mir zwei Mal pro Tag ein Medikament spritzen, um die Produktion meiner Stammzellen anzuregen und diese in die Blutbahn treten zu lassen. Dabei sind Nebenwirkungen zu erwarten – grippeähnliche Erscheinungen, die Knochen schmerzen, Kopfweh und leichte Übelkeit gehören auch dazu. Am fünften Tag sollte die Spende als sog. Apharese stattfinden, ein medizinisches Verfahren, welches mithilfe spezieller Apparate Stammzellen gezielt aus dem Blut filtert. Die restlichen Blutanteile werden dem Körperkreislauf im Anschluss wieder zugeführt.

Nachdem ich diese Details zum ersten Mal gelesen hatte, habe ich richtig Angst bekommen. Ich bin generell sehr vorsichtig in Bezug auf alle invasiven medizinischen Verfahren, ich nehme ungern Medikamente oder Schmerzmittel und hasse Spritzen! Zugleich war mir klar, dass ich helfen wollte, da ich ja schließlich diese eine Nadel im Heuhaufen war und einem Menschen das Leben retten konnte.

Also Augen zu und durch, dachte ich mir. Aber ich hatte wirklich Angst vor dem gesamten Prozess. Nach zwei weiteren Blutuntersuchungen und einem sehr intensiven Ganzkörper-Check-up stand der Termin für die Spende fest. Und für mich war klar: Es bringt überhaupt nichts, sich verrückt zu machen, jetzt heißt es dem Verfahren vertrauen, dass sehr professionell durchgeführt wird und der Lebensrettung eines Menschen gilt. Und sich nicht durch die eigenen Gedanken verrückt machen lassen. Geholfen hat mir mein Atem und das professionelle Team, das mich während der Spende begleitet hat.

Stop thinking, start breathing

Manchmal ist es gut, negative Gedanken zu stoppen, zu atmen und zu vertrauen. Für mich ist das Thema Kontrollabgabe ein Trigger, der mich gedanklich in Aufruhr versetzt. Bei meiner Stammzellspende bin ich öfters nah dran gewesen, außer Kontrolle zu geraten – körperlich hat sich das durch Herzrasen und leichten Schüttelfrost bemerkbar gemacht. Aber da es nun mal kein Entrinnen gab – schließlich war ich in einer moralischen Sackgasse – habe ich bewusst geatmet, tief ein, verlängert aus, um mich zu beruhigen. Ich habe mich nicht auf das Gedankenkarussell eingelassen. Und es hat geholfen!

Am Ende habe ich alles gut überstanden, auch wenn es für mich körperlich anstrengend war, aber darauf war ich ja vorbereitet. Ich habe es geschafft, mich vier Tage lang selbst zu spritzen – ich habe bis zum letzten Tag mit Überwindung gemacht, aber es ging. Während dieser Phase der Stammzellmobilisation hatte ich schlimme Gliederschmerzen, habe ein paar Mal Schmerzmittel genommen und mir viel Ruhe gegönnt. Am Tag der Spende war ich natürlich aufgeregt, zwei Mal wurde mir übel und wir mussten kurz pausieren. Aber das Team der Stiftung AKB war einfach wunderbar. Ich habe mich so gut aufgehoben gefühlt, alle hatten Verständnis und waren immer sehr gelassen und ruhig. Auf diese Weise konnte ich erfolgreich meine Stammzellen für einen jungen Menschen spenden und nach ca. vier Stunden wieder nach Hause gehen. Dort habe ich mich noch einen Tag erholt, danach war ich wiederhergestellt!

Trigger überwinden bringt ein gutes Gefühl

Was ich aus dem Ganzen mitnehme: Ich bin dabei über meine eigenen Grenzen gegangen – aber gut vorbereitet und unterstützt. Ich konnte meine persönlichen Trigger überwinden und zurück bleibt ein unglaublich schönes Gefühl, für eine andere Person etwas Lebenswichtiges getan zu haben. Das ist ein Geschenk für mich. Und ich hoffe, dass mein Stammzellengeschenk für den kranken Menschen Heilung bringt. Das hoffe ich wirklich! Und überhaupt zeigt es wieder einmal, wie persönlich und individuell unsere Trigger sind – denn „mein*e Patient*in“ muss ja so viel Schlimmeres durchmachen – da sind meine Ängste völlig lächerlich im Vergleich.

Ich schreibe dies, weil mein Erfahrungsbericht ein Ansporn sein soll, auch mal Ängste zu überwinden, sich nicht auf Trigger einzulassen, über sich hinauszuwachsen. Übrigens: Bei der Stiftung AKB oder bei DKMS kann sich jeder bis 45 Jahre registrieren lassen und vielleicht auch seinen genetischen Zwilling finden und ein Leben retten! Wenn ich es kann, kannst du es auch.

Über Trigger habe ich außerdem hier geschrieben: Trigger – und wie gehst du damit um?

 

Foto: Ute Freundl

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